
AN ULTRA RUNNING TRIP TO THE “TURKISH DOLOMITES”
by Philipp Ausserhofer
Ultra Trail Running ist für den Langstrecken-Spezialisten Philipp Ausserhofer eine Möglichkeit, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Es ist eine nicht enden wollende Reise, die ihn von einem Rennen zum nächsten und dabei manchmal in die entlegensten Gegenden dieses Planeten führt. Eine Reise, auf der er neue Wege erkundet und neue Verbindungen zur jeweiligen Bevölkerung knüpft, während er gleichzeitig sein Bewusstsein für den eigenen Körper und seine mentale Ausdauer immer mehr verbessert.
Im Spätsommer 2024 beschließt der italienische Athlet, die Gegend rund um die Felsen und Teeplantagen des wilden Kaçkar-Gebirges zu erkunden. Die „Türkischen Dolomiten“ sind die perfekte Kulisse für das Ende der Rennsaison und gleichzeitig ein neuer Wendepunkt in dem ständigen Auf und Ab, das die Erfahrungen eines jeden Trail Runners prägt.
Ich erinnere mich noch gut an jenen Spätnachmittag Mitte März, am Ende einer besonders intensiven Trainingseinheit, in der ich mich auf die Ziele der Saison vorbereitete. Indem ich nach einem geeigneten Ziel suchte, das meine unerschöpfliche Lust auf die Erkundung neuer, abgelegener Orte befriedigen und mir eine neue kulturelle Erfahrung vermitteln würde, versuchte ich, mich mental etwas abzulenken und die Müdigkeit der ersten Tage hinter mir zu lassen.
Wie es der Zufall will, erhalte ich einen Anruf von den Organisatoren eines neuen Rennens, das im Rahmen der World Series im Kaçkar-Gebirge in der Türkei stattfinden wird und bei dem ich die Möglichkeit habe, die Strecke im Spätsommer persönlich zu testen. Obwohl ich meine anfängliche Skepsis nicht verbergen kann, google ich schon nach kurzer Zeit mit Feuereifer, denn ich möchte dieses Angebot sorgfältig prüfen, bevor ich es eventuell ausschlage.
Die ersten Bilder aber wecken in mir die Lust auf dieses Abenteuer. Diese Trails würden die Belohnung für das tägliche Training und die Anstrengungen der Rennen, die Disziplin und den Ehrgeiz einer ganzen Saison sein. Die Mischung aus unwirklichen und spektakulären Landschaften ist genau das, wonach ich gesucht habe!
Diese hochalpin anmutenden Berge mit ihren von Seen durchzogenen Hängen erinnerten mich an die Südtiroler Dolomiten, wo ich mit dem Trail Running begonnen hatte. Und doch waren sie so anders, mit diesen tief hängenden, geheimnisvollen Wolken, unter denen die Yaylasi - kleine, von Hirten bewohnte Dörfer, die von weiten Çay-Feldern (Plantagen von türkischem Tee) umgeben sind - zu verschwinden schienen.



Um sich von der Größe dieses Berglauf-Paradieses ein Bild zu machen, muss man sich nach der Landung auf dem Flughafen von Rize nur umsehen und in Richtung Hinterland blicken. An einem klaren Tag, wie dem, der mich und meinen Freund und Fotografen Moritz in der Türkei willkommen hieß, erscheint die Bergkette weit weg, aber nicht zu übersehen. Wie vorhergesagt, verhüllen die Wolken die Berggipfel. Das ist nichtsdestotrotz die Einladung, auf die mein Läuferherz gewartet hat!
Also steigen wir unverzüglich ins Auto. In Begleitung unseres örtlichen Reiseführers Cem lassen wir schnell die Strände am Schwarzen Meer hinter uns, die die Nordostküste des Landes säumen und in dieser letzten Sommerwoche überfüllt sind. Schließlich erreichen wir das Firtina-Tal und folgen dem gleichnamigen Fluss mit seinen historischen Brücken. Das enge Tal führt nach Çamlıhemşin, einer abgelegenen Stadt, die als Tor zum Nationalpark des Kaçkar-Gebirges gilt. Die Temperatur steigt, Cem schaltet den Allradantrieb zu, und wir machen endlich Höhenmeter. Auf den letzten Kilometern unserer Anreise umgibt eine mittelalterliche Kulisse die Gegend. Es ist fast unmöglich, sich nicht von den imposanten Schlössern und Burgen von Rize und dem sie umgebenden Buchsbaumwald verzaubern zu lassen.
Noch beeindruckender ist jedoch die Vielfalt der Landschaft, wenn man die Hochlagen erreicht, in denen sich die Gipfel bis auf fast 4.000 Meter erheben und man sich darin verschwindend klein fühlt. Auf den ersten Schritten auf den Pfaden des Kaçkar-Gebirges wechseln die Geländeverhältnisse und Farben laufend. Nach wenigen hundert Metern gelangt man von den Teefeldern oberhalb der Dörfer zu den tiefblauen Gletscherseen und den tosenden Wasserfällen in den höheren Lagen. Und schließlich erreicht man die zerklüfteten Gipfel, die zwar einschüchternd wirken, aber jeden meiner Schritte lenken. Die Natur hier ist üppig und rau, lebendig und hart. Die ständigen Übergänge von einer Geländeart zur anderen verwirren meinen Verstand, als ob ich mich gleichzeitig an Dutzenden von sehr unterschiedlichen Orten befinden würde.

Dieser Reichtum an wechselnden Landschaften bringt mir die zwiespältigen Gefühle ins Bewusstsein zurück, die die gerade zu Ende gegangene Saison bei mir hinterlassen hat - sowohl auf sportlicher als auch auf persönlicher Ebene. Nach großen Erfolgen und hervorragenden Ergebnissen bei internationalen Wettkämpfen folgte eine ebenso herbe Enttäuschung beim dritten (gescheiterten) Versuch in Folge, meinen großen Traum zu verwirklichen: die 160 Kilometer lange Umrundung des Mont Blanc. Ein Scheitern, das mehr Schmerz verursacht, als der vorangegangene Erfolg Freude bereitet hat. Um eine so tiefe innere Leere zu füllen, brauchte ich ein neues Abenteuer.
Ich bin hierher gekommen, um die landschaftliche Schönheit dieser Gegend in mir aufzunehmen, nachdem ich jeden Schritt genossen habe: In den grünen Feldern einzutauchen, umgeben vom Duft der Çay-Blätter; auf dem schroffen Profil des Kaçkar Dağı-Gipfels über Felsen und Schnee zu huschen; von einem Dorf zum anderen zu gelangen, ohne über Dutzende von Kilometern einer einzigen Menschenseele zu begegnen. Ich lege mehr als 40 Kilometer am Tag zurück, aber die Freude und die Freiheit, die ich empfinde, helfen mir, dranzubleiben.
Ein großer Teil dieses Abenteuers besteht für mich darin, mit den wechselnden Bedingungen und schwankenden Temperaturen zurechtzukommen. Am Morgen scheint das Wetter zu halten, aber am Nachmittag ziehen Wolken auf und bringen starke Regenfälle. Hervorragende Bedingungen, um neue Produkte zu testen, wie beispielsweise das neue Lavaredo Rain Evo Jacket, das mich dank seiner 20.000 Millimeter Wassersäule vor plötzlichen Regenschauern schützt, oder das Lavaredo Evo Jacket, dessen 100-Gramm leichte Isolation mir auch bei langen Anstiegen und schwerer Atmung optimalen Wärme- und Wetterschutz bietet.





Im Kaçkar-Gebirge finde ich mein Lächeln und meine Zufriedenheit wieder, was auch an den gastfreundlichen Einheimischen liegt. Die Bewohner dieser Berge sind warmherzig und aufgeschlossen. Die Hirten feuern mich oft an, wenn ich außerhalb der Dörfer vorbeikomme, als ob ich an einem Rennen teilnehmen würde, und laden mich dann zu einer Tasse Tee oder einem Sütlac (Milchreis) in ihr Zuhause ein. Während das Feuer knistert, lerne ich am Ende eines Trainingstages in einer rauen Umgebung ihre persönlichen Geschichten kennen. Wir sprechen zwar nicht dieselbe Sprache, aber wir verfolgen die Geschichten des anderen mit den Augen und sind durch den unsichtbaren Faden der Liebe zu den Bergen miteinander verbunden.
Die Begegnung mit einem Hirten auf halbem Weg zwischen Yukari Kavrun und Yukari Ceymakçur wird mir immer in Erinnerung bleiben. Nachdem er mich neugierig beobachtet hatte, wie ich von einem Pfad zum anderen sprang - es war offensichtlich, dass er noch nie zuvor einen Trail Runner gesehen hatte - lächelte er und sagte: „ Herzlich willkommen in der Türkei.“ Ein lapidarer, aber bedeutungsvoller Satz. In mir hatte der Mann keinen Fremden gesehen, sondern ein weiteres Mitglied der Gemeinschaft, die die Natur liebt. Eine kleine Episode, die das Wesen des Sports und die einzigartige Kraft der Berge, nämlich Menschen miteinander zu verbinden, auf den Punkt bringt. Manchmal ist Trail Running eben viel mehr als nur ein Geländelauf.
Nach solchen wertvollen Erfahrungen ist man selten bereit, nach Hause zurückzukehren. Als ich den Rückflug antrete, erfüllt mich eine Mischung aus Wehmut und Dankbarkeit für die einzigartige Chance, einen außergewöhnlichen Teil der Welt und damit auch einen neuen Teil von mir selbst kennenzulernen. Ich kann es kaum erwarten, im September zu diesen Strecken zurückzukommen, um an der ersten Ausgabe der neuen Herausforderung teilzunehmen, auf die sich die Trail Running-Welt vorbereitet. Ein Rennen, das für mich eine besondere Bedeutung hat, nachdem ich bereits das Privileg hatte, eine tiefe Verbindung zu Land und Leuten aufzubauen.