Karpos

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Eternal Flame
ETERNAL FLAME

UNSERE HERAUSFORDERUNG IN DER VERTIKALEN DER TRANGO TOWERS

by Mirco Grasso

Es war von Anfang an ein Abenteuer. Ich kann nicht anders, als meine Erzählung gleich mit dieser Geschichte zu beginnen. Meistens ist der Beginn einer Reise sehr hektisch, vorallem wenn man zu einer Bergsteiger-Expedition in eine Region wie Pakistan aufbricht. Und dann muss alles so schnell gehen, dass man ein paar Dinge vergisst, manchmal sogar wichtige Details.

Da standen wir also am Check-in für unseren Flug und Giacomo Mauri (von nun an Jack, so wie ihn alle nennen) wurde wegen einer Unstimmigkeit in seinem Visum aufgehalten: Das Geburtsdatum in seinem Dokument stimmte nicht mit dem in seinem Reisepass überein. Ein Versehen, durch das das Einreisevisum hätte ungültig sein können, aber schließlich schafften wir es doch, an Bord zu gehen ... mit einem "Pending"-Etikett auf unserem Gepäck, das bedeutete, dass unser Gepäck zurückgeschickt würde, wenn man uns nach der Landung in Islamabad die Einreise verweigerte. Das wäre eine Katastrophe! Wir konnten während des Fluges an nichts anderes denken. Wir befanden uns in einem permanenten Zustand der Anspannung, der sich erst auflöste, als wir in Islamabad landeten, problemlos durch die Passkontrolle kamen und uns pllötzlich in einer anderen Realität wiederfanden.

Ghulam von der dort ansässigen Agentur Blue Sky empfing uns inmitten der geduldig wartenden Männer, Frauen und Kinder. Er war unser Ansprechpartner vor Ort, mit dem wir die ersten Tage damit verbrachten, die Stadt zu besichtigen und die Logistik für die nächsten Etappen unserer Reise zu organisieren. Zunächst nahmen wir den Inlandsflug nach Skardu, einer kleinen Stadt im Norden Pakistans, durch die jede Expedition, die das Karakorum Gebirge anvisiert, führt. So auch wir, denn unser Ziel waren die imposanten Trango-Türme mit ihren nahezu vertikalen Wänden. Danach ging es mit dem Jeep nach Askole, dem letzten von Menschen bewohnten Außenposten, bevor wir uns zu Fuß auf den langen Weg zu unserem endgültigen Ziel machten.

Doch nicht alles lief nach Plan. Schon bald kam die Nachricht, dass unser Inlandsflug annulliert wurde. Unsere Pläne waren über den Haufen geworfen - was sollten wir jetzt tun? "Inshallah", beruhigte uns unser Freund. Wir setzten uns ins Auto und folgten zwei Tage lang dem berühmten Karakoram Highway. Eine legendäre Reise, die uns ins wahre Pakistan eintauchen ließ, denn wir erlebten schlechte Straßen, chaotischen Verkehr, der nach eigenen Regeln und mit ständigem Hupen funktioniert. Wir wurden auch von einem Erdrutsch aufgehalten, erreichten aber schließlich Skardu, wo Safder, unser Bergführer, geduldig auf uns wartete.

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Draußen vor dem Fenster ging gerade erst die Sonne auf, aber wir lagen schon länger in unserem Hotelzimmer wach und waren aufgeregt. Wir hatten keine Zeit, uns auszuruhen, denn wir standen erst am Anfang unserer eigentlichen Reise, die bald beginnen sollte. Nachdem wir die Vorräte vorbereitet und die Ausrüstung zusammengestellt hatten, stiegen wir wieder in die Jeeps, diesmal in Richtung Askole. Auch hier gab es tausend unvorhergesehene Zwischenfälle. Irgendwo auf der Strecke blockierte ein riesiger Erdrutsch unsere Straße und unsere Reisegefährten machten sich sofort mit Schaufeln an die Arbeit, die Durchfahrt frei zu machen. In der Zwischenzeit entspannten wir uns in der Sonne und trafen eine Gruppe von Chinesen, die ebenfalls zu den Trango-Türmen unterwegs waren.

In Askole besprachen wir die letzten Details. Morgen würden wir zu Fuß aufbrechen. Bald saßen wir alle im Essenszelt und lernten dabei unsere pakistanischen Freunde erst richtig kennen. Wir würden die nächsten Wochen gemeinsam verbringen. Sie waren für das Basislager zuständig und kümmerten sich um uns, wenn wir nicht in der Wand unterwegs waren. Auf unserer Reise trafen wir mehrmals auf unsere chinesischen Freunde, und wir lernetn auch sie besser kennen. So wie sie erzählten und mit den drei Fotografen, die sie begleiteten, wirkten sie sehr stark. Wie wir wollten sie die Eternal Flame wiederholen, eine der berühmtesten Routen der Trango-Türme.

Sie wurde 1989 von Kurt Albert, Wolfgang Güllich, Christof Stiegler und Milan Sykora frei geklettert und verläuft entlang des Südpfeilers des Nameless Tower auf einer Länge von etwa 1.000 Metern, wobei die ersten zehn Seillängen entlang der "Slowenenführe" verlaufen. Wir sprechen hier von einer legendären Route, die das Prinzip des Schwierigkeitsgrades in großen Big Walls neu definiert hat. Dieser große Traum schien noch realer zu werden, wenn - so wie uns das chinesische Team mitteilte - das Wetter eine Woche lang gut sein würde.

PLANÄNDERUNG

Ein Zeitfenster von einer Woche - das konnten wir uns nicht entgehen lassen! Also überdachten Jack und ich unsere Pläne. Unsere Idee war, so nah wie möglich an der Wand abgesetzt zu werden, mit genügend Ausrüstung und Verpflegung, um mindestens vier oder fünf Tage in der Wand bleiben zu können. In der Zwischenzeit würden die Träger das Basislager in der Nähe des Shipton Spire vorbereiten, dem eventuellen zweiten Ziel unserer Expedition. Es war geplant, die Eternal Flame direkt in Angriff zu nehmen, ohne uns lange zu akklimatisieren. Wir würden versuchen, uns der Höhe anzupassen, indem wir sehr langsam kletterten, um die Belastung der Höhenlage nicht allzu sehr zu spüren. Aber wir sollten noch lernen, dass es immer gut ist, im Karakorum keine allzu genauen Pläne zu machen.


Auf den letzten Schritten in Richtung unserer Wand hörten wir plötzlich Schreie und sahen Haqan, unseren Koch, in vollem Tempo auf uns zu rennen. Er war sehr aufgeregt. "Viele Esel sind verletzt. Einer ist tot", rief er uns zu. Wir hatten ihn nicht gleich verstanden und versuchten, ihn zu beruhigen. Als er sich wieder beruhigt hatte, erklärte er uns, dass die Esel nicht in der Lage seien, zum Basislager in Richtung Shipton Spire aufzusteigen, dass sich viele an den Hufen verletzt hätten und dass man für einen Esel nichts mehr tun könnte: Er sei zusammen mit einem Teil unserer Lagerausrüstung (mehrere Zelte, Iso-Matten, Lebensmittel usw.) in eine Gletscherspalte gestürzt. Das war tragisch und bedeutete für uns, dass wir unsere Pläne ändern mussten.


Wir bedauerten sowohl den Tod des Tieres und die Verletzungen der anderen Esel als auch unseren materiellen Verlust, und beschlossen, unser Basislager in einem Gebiet einzurichten, das für die Tiere leichter zugänglich und praktischer war: näher an den Trango-Türmen, aber weiter entfernt vom Shipton Spire. Nachdem wir alle unsere Pläne geändert hatten, erhielten wir über Satellit ein Wetter-Update und stellten fest, dass die ersten beiden Tage nicht gut sein würden. Wir beschlossen daher, unseren Versuch ein bisschen zu verschieben und diese Tage zu nutzen, um uns besser zu akklimatisieren. Nach all diesen unvorhergesehenen Ereignissen war das die einzig richtige Entscheidung.

Eternal flame experience

DER ERSTE VERSUCH

Mit dem Vertrauen auf das lange Wetterfenster kletterten wir zurück zum Fuß der Wand, wo wir biwakierten.

Doch als wir aufwachten, sah es gar nicht gut aus - als wir unsere Nasen aus dem Zelt steckten, waren wir von tiefhängenden Wolken und Regen umgeben. Wir verharrten geduldig im Zelt und beobachteten, wie der Wind mit den Wolken spielte und unsere Wand immer wieder dahinter verschwand.
Als nach ein paar Stunden der Himmel aufriss, kehrte auch unser Optimismus zurück und wir entschieden uns, einen ersten Versuch zu wagen. Zuerst stiegen wir schnell auf, dann wurden wir immer langsamer. Als wir fast schon das Ende der langen Steinschlagrinne erreicht hatten, die das Basislager mit dem Beginn der Route verbindet, kam die Sonne zum Vorschein ... das Glück war mit den Mutigen. Aber was lag dort für ein Scherbenhaufen vor uns?


Endlich erreichten wir den eigentlichen Beginn der Vertikalen. Ich zog meine Daunenjacke aus, schlüpfte in meine Schuhe und kletterte los. Jack überließ mir die Ehre der ersten Seillänge. Ich hatte mir nichts Besseres erhoffen können! Wir waren spät dran, es hatte gerade aufgehört zu regnen und war heiß. Die zweite und dritte Seillänge war nass, aber es war einfach herrlich, hier an diesen Felsen zu klettern.


In den ersten Seillängen der Slowenenführe fanden wir Fixseile vor, die ein amerikanisches Team, das vor uns unterwegs gewesen war, hinterlassen hatte. In den Seillängen mit der größten Absturzgefahr gaben wir schließlich der Versuchung nach und benutzten sie als zusätzliche Sicherung. Der weitere Aufstieg verlief immer wieder spannend, bis wir gegen 18 Uhr einen Felsvorsprung erreichten, auf der bereits ein kleines Zelt aufgestellt war. Wir waren uns sicher, dass es zwar der amerikanischen Seilschaft gehörte, aber da wir wussten, dass diese sich im Basislager befand, zögerten wir nicht lange und legten uns innerhalb weniger Sekunden zur wohlverdienten Pause hinein.

Die Morgendämmerung des zweiten Klettertages begrüßte uns... doch wir schliefen einfach weiter. Unser Plan war es, den Tag ruhig angehen zu lassen. Frühstücken, ein paar Fotos machen und dann gegen 9 Uhr starten. Heute schien natürlich alles anders zu sein. Jetzt, da wir die eigentliche Route begonnen hatten, bremste uns einerseits die Höhe aus und andererseits war mit den Schwierigkeiten der Route auch nicht zu scherzen. Zwischen nassem Fels, technischen Sequenzen und einem Kamin, der sich in einen Eiswasserfall verwandelte, waren wir sehr gefordert.

Insgesamt kletterten wir zehn Seillängen und erreichten die Schneegrenze mit dem letzten Licht des Tages, das bereits der Dunkelheit der Nacht gewichen war. Schließlich konnten wir uns nach einem scheinbar endlosen Tag ausruhen und uns von der Nacht in den Schlaf wiegen lassen, weil wir einen ganzen Ruhetag vor uns hatten, bevor wir die letzten 200 Höhenmeter zum Gipfel in Angriff nehmen wollten. Mit dieser Zuversicht schliefen wir ein ... und wachten mit Schrecken in den Augen auf.


Da wir ohne ausreichend Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme eingeschlafen waren, sahen wir am Morgen ganz elend aus. Wir fühlten uns fiebrig, hatten keinen Appetit und waren völlig erschöpft. Wir beschlossen, Ruhe zu bewahren und den Erholungstag abzuwarten. Guter Schlaf würde uns wieder fit machen für den weiteren Aufstieg ... es wurde ein sehr langer Ruhetag. Höllische Hitze im Zelt. Das ständige Schneeschmelzen, um Trinkwasser zu gewinnen, und die Anstrengung des Trinkens, um die Rehydrationssalze herunterzuspülen. Aber die Situation besserte sich nicht. Uns beiden war klar, wenn es so weitergehen sollte, wird es keinen Gipfelversuch geben - im Gegenteil. Wir müssten rasch absteigen, bevor uns auf dafür völlig die Kraft ausgehen würde. Abends zwangen wir uns, ein paar Nudeln zu essen, und legten uns dann wieder schlafen - in der Hoffnung, dass über Nacht ein Wunder geschieht. Ich glaube, Jack fühlte sich ein bisschen besser als ich. Denn nach ein paar Stunden streckte ich den Kopf aus dem Zelt, schnappte nach Luft und übergab mich. So ging es die ganze Nacht. Dann, am Morgen, kam es noch schlimmer als wir es uns bis dahin vorstellen konnten: Heftiger Schneefall umgab uns.


Ohne lange zu überlegen packten wir unsere Sachen zusammen und begannen mit dem Abseilen, um zurück nach unten, zum Fuß der Wand, zu gelangen. Es fiel uns sehr schwer und kostete viel Kraft! Nasse Seile, schwierige Stellen und ein geschundener Körper. Ein Abstieg, der uns endlos vorkam und sehr anstrengend war. Am Ende trafen wir auf unsere pakistanischen Freunde, die sich im Basislager um uns kümmerten.

Eternal flame experience

DER GIPFEL

Jeden Tag saßen Jack und ich auf einem Felsblock und starrten auf den Turm, der senkrecht in die Höhe ragte. Inzwischen kannten wir jeden Zentimeter dieser Felswand. Unsere Genesung verlief alles andere als gut und erforderte viel Geduld, aber die hatten wir inzwischen nicht mehr. Mit jedem Tag, der verging, gab es weniger Möglichkeiten, uns mit etwas Schönem abzulenken. Also fingen wir an, alternative Pläne zu schmieden, aber solange wir nicht fit genug waren und kein Zeitfenster von mindestens zwei oder drei Tagen zur Verfügung stand, gab es wenig Hoffnung, etwas Interessantes zu unternehmen. Wir hatten bereits beschlossen, alles zu versuchen, um die Route Eternal Flame zu wiederholen. So verstrichen die Tage und das Warten wurde zur Qual. Dann endlich kam die ersehnte Nachricht: Ein schönes, langes Zeitfenster stand uns bevor. Es könnte unsere letzte Gelegenheit sein, Eternal Flame zu bezwingen.

Am Tag des Aufstiegs war uns der Himmel wohlgesonnen, Jack und ich fühlten uns gut, wir waren motiviert und wir hatten genug Zeit, um es zu schaffen. Also begannen wir wieder mit den üblichen Vorbereitungen vor dem Aufbruch. Aber auch dieses Mal, nach einem tollen ersten Klettertag, hingen die Wolken wieder tief. Auch diesmal warteten wir im Zelt, bis der Himmel aufklarte. Es schien unmöglich zu sein, weit hinaufzuklettern und die Schneegrenze zu erreichen, aber wir beschlossen, die ersten Seillängen noch einmal zu klettern und am nächsten Tag an den von den chinesischen Bergsteigern in der Wand zurückgelassenen Fixseilen zu jumaren. Am Ende hatten wir viel Spaß und die Tour war wunderschön.
 

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Wir kletterten einen Griff nach dem anderen, eine Seillänge nach der anderen, zum Teil bei guter Sicht, zum Teil im Schneegestöber. Heute kann ich mich kaum an einen Tag mit strahlendem Sonnenschein erinnern, selbst wenn ich mich bemühe. Abgesehen davon nutzten wir die Stille und erreichten nach zwei Tagen endlich die Schneegrenze. Da waren wir wieder. Das kleine Zelt stand noch da und unsere Gedanken waren schon auf die letzten Schwierigkeiten gerichtet. Physisch und mental waren wir in bester Verfassung. Wir konnten uns nichts Besseres wünschen. Vielleicht nur, dass der Himmel aufreißen würde, damit wir die letzten Seillängen in Ruhe genießen könnten.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker sehr früh und ich öffnete den Reißverschluss an unserem Zelt mit einem Hauch von Pessimismus. Doch dieser verwandelte sich sofort in Erstaunen über den unglaublichen Tag, der uns draußen erwartete! Es war zwar extrem kalt, aber der Himmel war so klar wie seit dem ersten Tag der Expedition nicht mehr.


Bei diesen extremen Temperaturen hatten wir keine Lust, früh einzusteigen, aber um 6 Uhr hatte ich doch schon die ersten beiden Seillängen geklettert. Danach nahm der Tag eine ganz wunderbare Wendung. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages wärmten uns auf, der Fels war griffig und trocken und die Seillängen unglaublich schön. Um 13 Uhr waren wir am Ende der schwierigsten Seillänge angelangt und freuten uns schon auf den Gipfel. Ohne groß über Pausen nachzudenken, zogen wir unsere Schuhe an und bereiteten uns auf die letzten leichten Seillängen vor. Jack wollte gerade starten, als es zu schneien begann ... Es hieß wieder "Ruhe bewahren". Wir meisterten die Seillängen zügig, und nach ein paar Stunden waren wir endlich auf dem Gipfel. Es schneite und wir waren von Wolken umgeben. Wir konnten leider überhaupt nichts sehen, aber es war trotzdem fantastisch. Wir hatten die Trango Towers über die Route Eternal Flame erklommen!

Wir umarmten uns, machten ein paar Fotos und ruhten uns ein paar Minuten aus. Dann stieg Jack zum letzten Standplatz ab und begann mit den Vorbereitungen für das Abseilen, so dass ich für einige Augenblicke alleine war und die absolute Stille genießen konnte. Nur der Wind war zu hören, und plötzlich verwandelte sich dieses unglaubliche Gefühl in ein unkontrollierbares Weinen. So etwas war mir noch nie passiert, aber es blieb keine Zeit, um mir darüber weitere Gedanken zu machen. Der Aufstieg ist immer nur die Hälfte des Weges, wir mussten schließlich noch absteigen. Also folgte ich Jack und schon bald waren wir bereit, uns in die Leere hinabgleiten zu lassen, während der Gipfel wieder in Nebel getaucht war.
Er war nun auch ein Stück weit ein Teil unserer Geschichte.

EXPERIENCE BY

MIRCO GRASSO

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