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THE CALL OF THE SIREN

Es ist August 2021, als Matteo Della Bordella, Silvan Schüpbach und Symon Welfringer die Ostküste Grönlands erreichen. Die drei gehören zu den besten Bergsteigern der internationalen Szene. Matteo ist ein Routenfinder mit großen Visionen und einem alpinen Lebenslauf, der Expeditionen und Extremklettereien auf der ganzen Welt ausweist. Silvan kennt die härtesten Steilwände in der Schweiz und in den Alpen wie seine Westentasche. Und Symon wurde für seine bergsteigerischen Erfolge bereits mit dem Piolet d'Or, der höchsten Auszeichnung im Bergsport, ausgezeichnet . Alle drei teilen die gleiche Leidenschaft für das Abenteuer und den Wunsch, 'by fair means', also mit Verzicht auf möglichst alle technischen Hilfsmittel, extreme Schwierigkeiten in diesem sehr puristischen Stil in Angriff zu nehmen und so wenig Spuren wie möglich am Berg zu hinterlassen.

In Grönland entschieden sie sich für ein quasi allumfassendes Abenteuer, denn sie nehmen zu Beginn eine lange Kajakfahrt auf dem Arktischen Ozean auf sich, um diese hohe und schwierige Wand, die sie im Visier haben und die in einer sehr entlegenen Gegend liegt, überhaupt zu erreichen. Hier, fernab von menschlichen und gesellschaftlichen Zwängen, wollen sie ihr gesamtes Potential ausschöpfen, sich voll und ganz auf die unberührte Natur konzentrieren und diese ursprüngliche Naturverbundenheit neu entdecken.

GRÖNLAND TEIL 1 - WO DIE SONNE NICHT UNTERGEHT



Wie ein Mosaik aus leuchtenden Farben tauchen die Häuser des Dorfes Tasiilaq allmählich hinter den Hügeln auf. Sie ergeben ein buntes Bild aus kleinen farbigen Kästchen. An der Eingangstür des "Roten Hauses" steht sinnbildlich "Wir sind hier zu Hause" Robert Peroni empfängt uns mit einem strahlenden Lächeln. Sein Gesicht ist von Falten gezeichnet, was auf viel Lebenserfahrung schließen lässt. Laut Personalausweis liegen 40 Jahre Altersunterschied zwischen uns, aber unsere Ziele und Pläne sind dieselben. Der gebürtige Südtiroler hat sich nach zwanzig Jahren der Reisens und des Extremkletterns dazu entschlossen, diese kleine Stadt an der Ostküste Grönlands zu seinem neuen Rückzugsort zu machen.Eine raue und wilde Gegend, die von den Inuit bewohnt wird - einem Volk, dessen Ursprünglichkeit seit langem durch den Einzug der modernen Zivilisation bedroht ist. Als Robert erstmals dieses Land bereist, wird er mit dem schwierigen Alltag von Jungen und Männern konfrontiert, die sowohl materielle als auch psychologische Unterstützung benötigen. Er nimmt sie in einem alten Haus auf, das sich nach und nach zu einem kleinen Hotel für Touristen, die es in den hohen Norden zieht, verwandelt. Das berühmte und gemütliche Rote Haus.

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"Die letzten Jahre waren alles andere als einfach", sagt er, während durch die wohltuende Temperatur im Haus langsam die Wärme wieder in unsere Knochen zurückkehrt. "Die Pandemie hat alles zum Erliegen gebracht. Das Virus führte hier nicht zu so vielen Todesfällen, wie wir sie alle noch anderenorts vor Augen haben, aber es legte die Wirtschaft lahm."Die Ostküste Grönlands war ein ganzes Jahr lang isoliert", erzählt er uns. Ohne Lieferungen von außen wurden sogar Lebensmittel knapp, und auch heute noch zwingt der ausbleibende Tourismus die gesamte lokale Gemeinschaft in die Knie. Aber Robert ist nicht der Typ, der bei der ersten Schwierigkeit aufgibt. Er mag herausfordernde Aufgaben, das sehe ich in seinen strahlenden Augen. .

"Was habt ihr also geplant?", fragt er uns neugierig. Die Karten sind auf dem ganzen Tisch ausgebreitet. Die Notizbücher sind voll mit Skizzen. Robert sprudelt wie ein Wasserfall. Draußen vor dem Fenster toben die Elemente. Die Naturgewalt offenbart sich eindrücklich vor unseren Augen. Gleichzeitig läuft mir ein Schauer über den Rücken und es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich mir uns dort draußen vorstelle. Ich selbst, Silvan Schüpbach, Symon Welfringer und die Natur in ihrer extremsten Form.

Silvan ist Schweizer und wir haben solche einschneidenden Erlebnisse bereits gemeinsam geteilt. Im Jahr 2018 in Patagonien, als wir die Erstbegehung einer neuen Route am Cerro Riso Patron Sud in Angriff nahmen, nachdem wir eine Kajaküberquerung von etwa 100 Kilometern und einen langen Anmarsch durch abgelegenes Gelände bewältigt hatten. Alles natürlich als komplette Selbstversorger. Symon ist Franzose und wir sind zum ersten Mal gemeinsam auf einer Expedition unterwegs. An seinem Lebenslauf kann man erkennen, dass er zu den besten Bergsteigern der Welt gehört. Außerdem hat er einen ausgeprägten Sinn für Humor und ist nie ohne eines seiner geliebten Hawaiihemden unterwegs. Aber vorallem ist er ein extrem starker Kletterpartner. Roberts Augen fixieren uns, als wir ihm von unseren Plänen erzählen. Vor ihm haben wir keine Geheimnisse. Wer weiß, was er denkt, mit diesem stillen, aber konzentrierten Gesichtsausdruck. Mehr als 150 Kilometer in einem Kajak, 70 Kilo Proviant pro Person und eine Wand, die noch niemand durchstiegen hat. Abenteuer pur! Silvan, Symon und ich sind ein eingeschworenes Trio, das hat auch Robert bemerkt. Wir handeln und sprechen als Einheit.





IM KAJAK ÜBER DEN OZEAN



Im Hafen von Tasiilaq verbringen wir einen halben Tag damit, unsere Kajaks vorzubereiten. Wir müssen die Lasten gut verteilen und sicherstellen, dass jedes Kajak gut ausbalanciert ist.. Wir haben insgesamt 210 Kilo bestehend aus Lebensmitteln, Kletter- und Campingausrüstung, Kleidung und anderen Ausrüstungsgegenständen dabei. Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen, denn wenn wir erst einmal unterwegs sind, sind wir bis zu unserer Rückkehr auf uns alleine gestellt. .Wenn das Packen des Rucksacks vor einer Tour als Herausforderung für jeden guten Bergsteiger gilt, dann gilt das auf jeden Fall auch für uns bei der Vorbereitung unserer Kajaks für die geplante 25-tägige Expedition, bei der wir uns komplett selbstversorgen müssen. Jedes Teil unserer Ausrüstung wurde mit größter Sorgfalt ausgewählt, um Gewicht und Volumen zu begrenzen. Wir haben nur das Nötigste eingepackt: Zwei Garnituren Kleidung zum Wechseln, in die wir unser volles Vertrauen setzen. Kleidungsstücke, die warm und atmungsaktiv, aber gleichzeitig sehr gut komprimierbar sind, wie der K-Performance Fleece. Er wiegt nur 350 Gramm und eignet sich bestens als zweite Schicht, die ein hervorragendes Gleichgewicht zwischen Wärme und Packmaß bietet.

Kurz bevor die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, lassen wir unsere Kajaks langsam aus dem Hafen gleiten und beginnen, auf dem offenen Meer zu paddeln. Ich bin erleichtert und glücklich. Ich fühle mich frei. Ich bin nicht mehr von äußeren Zwängen oder Einflüssen abhängig. Jetzt bin ich selbst verantwortlich für mein Schicksal und vor mir liegt nun die unendliche Weite des Arktischen Ozeans.. Wir sind auf dem Weg zum Mythics Cirque. Die Kombination aus guter Fitness, hervorragenden Kajaks und perfekten Seegangsbedingungen ist erfolgsversprechend und macht uns den ersten Teil unseres Abenteuers relativ leicht. Jeden Tag paddeln wir etwa sieben Stunden lang und legen dabei eine Strecke von 40 Kilometern zurück. All diese Stunden im Kajak sind kräftezehrend und stellen eine intensive und lang andauernde Kraftanstrengung dar. Die Neoprenanzüge schützen uns im Falle eines Sturzes in das eiskalte arktische Wasser, aber gleichzeitig kommen wir darin sehr schnell ins Schwitzen und verlieren dadurch viel Flüssigkeit. Um unter den Anzügen möglichst trocken zu bleiben, tragen wir Croda Rossa T-Shirts, die aufgrund ihrer Atmungsaktivität die Feuchtigkeit vom Körper abtransportieren und uns so selbst nach stundenlangem, anstrengendem Paddeln trocken halten. Die Tage vergehen schnell, einer nach dem anderen, während wir zwischen den gigantischen Eisbergen und unter den wachsamen Blicken der Robben paddeln. Es scheint, als hätten wir mit unseren Kajaks ihr Neugierde geweckt. Jeden Abend schlagen wir unser Lager an der Küste auf, meist an sehr idyllischen Plätzen.

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Wahre Paradiese, mit klarem Wasser und einem unvergleichlichen Blick auf den Ozean, den wir trotz unserer improvisierten Navigation immer wieder finden. Dieses Panaroma entschädigt stets für alle Strapazen, auch wenn Silvan bereits nach 100 Kilometern von lästigen Schmerzen im Arm geplagt wird. Aber jetzt ist nicht die Zeit, den Mut zu verlieren, es gilt die Zähne zusammenzubeißen, und so stehen wir nach vier Tagen endlich vor den Felswänden des Mythics Cirque. . Vor uns öffnet sich ein Amphitheater aus senkrechten und überhängenden Wänden. In unseren Köpfen zeichnen sich bereits Routen und Linien ab, die zügig zum Gipfel hinaufführen. Die letzten menschlichen Spuren sind Hunderte von Kilometern entfernt.

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Doch halt! Wer sind diese vier da? An der Küste begrüßen uns, nackt wie Gott sie schuf, Sean Villanueva, Nico Favresse, Jean Louis Wertz und der schwedische Bergsteiger Alexsej Jaruta mit Musikklängen. Wie hoch ist bitte die Wahrscheinlichkeit, eine Gruppe von Freunden an einem der abgelegensten und verlassensten Orte der Welt zu treffen? Sie kamen vier Tage vor uns auf einem Segelboot an, ebenfalls mit der festen Absicht, die unberührten Felsen des Mythics Cirque zu erkunden. Es war eine wirkliche Überraschung und gleichzeitig eine große Freude, unsere Freunde hier zu treffen. Sehr erfahrene Bergsteiger, die eine ähnliche Einstellung vertreten wie wir, die aber vor allem die Berge auf eine so ausgelassene Art und Weise genießen, und das selbst hier, am Ende der Welt. Ein gemeinsames Abendessen mit viel Lachen reicht aus, damit wir uns nach langen Tagen im Kajak wie zu Hause fühlen. Dann schlafen wir ein und beobachten die immer kleiner werdenden Silhouetten unserer Freunde, die sich den großen Wänden nähern.Endlich ist auch für uns die Zeit gekommen, unsere Kajaks, Paddel und Neoprenanzüge wegzupacken und nach oben, Richtung Gipfel, zu blicken.



GRÖNLAND TEIL 2 - DER RUF DES SIREN TOWER



Bevor wir zu dieser Expedition aufbrachen, analysierten wir die wenigen Fotos, die wir vom Mythics Cirque gefunden hatten, und dabei fiel uns sofort die imposante, vertikale Nordwand des Siren Tower auf. Sie war definitiv die attraktivste, ästhetischste, schlankste und kompakteste der Wände, die dieses großartige Amphitheater, in dem wir uns nun befinden, zu bieten hat. Der Funke ist sofort übergesprungen und die Entscheidung war damit gefallen. Lasst uns versuchen, ihn zu besteigen!

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Nachdem wir uns ein paar Tage Erholung von der Kajaktour gegönnt haben, nutzen wir die stabile Wetterlage, um die Wand in Angriff zu nehmen. Wir haben Lebensmittel für sechs Tage, 40 Liter Wasser und drei aufblasbare Portaledges dabei. Letztere sind notwendig, um ein Biwak in der Felswand einzurichten, in dem wir uns einigermaßen "bequem" ausruhen können. Wir wollen diesen Aufstieg genießen und ohne Hektik und ohne dabei das Tempo forcieren zu müssen unser Ziel erreichen. Wir sind hier, um gemeinsam dieses Abenteuer zu erleben, um die Umgebung und den Aufstieg in vollen Zügen zu genießen. Während der ersten beiden Tage legen wir die ersten 300 Meter der Wand zurück. In wechselndem Rhythmus klettern wir und holen die schweren Taschen mit der Ausrüstung nach, die während des Kletterns an den Seilen fixiert sind, um uns nicht zu belasten und einzuschränken. Wir sind zwar sehr optimistisch, dass wir es schaffen werden, aber wir wissen natürlich auch, dass uns der schwierigste Teil noch bevorsteht: Vor uns liegt der vertikale und somit steilste Abschnitt. Ein einziger Blick nach oben genügt, um Ehrfurcht vor dem massiven Felsen zu empfinden. Nachdem wir es uns für die Nacht bequem gemacht haben, betrachten wir ihn noch lange. Zahlreiche Fragen gehen uns immer wieder durch den Kopf. Langsam beschleichen uns Zweifel. Plötzlich erscheint es uns, als würde nichts mehr richtig laufen. In der Zwischenzeit scheint der Himmel unsere Gedanken nicht der Dunkelheit überlassen zu wollen.

Als wir am dritten Tag aufwachen, klagt Silvan über einen starken Schmerz in seinem Arm. Es ist wieder das gleiche Problem, das er schon beim Kajakfahren hatte. Bis heute hat er versucht durchzuhalten und das Problem zu ignorieren, aber jetzt kann er es nicht mehr aushalten. Symon schaut uns wie immer mit seinem ruhigen Lächeln an. Er ist motiviert und zuversichtlich. Ohne zu zögern macht er sich auf den Weg nach oben und schafft es nach mehreren Versuchen, einen dünnen zehn Meter langen Riss zu klettern. Eine mehr als heikle Sequenz, die nur durch Micro Nuts, also sehr kleine Klemmkeile von begrenzter Stärke, gesichert ist. Es gibt nur eine Vorgabe: Nicht abstürzen! Oberhalb des Risses wird es breiter und macht uns falsche Hoffnungen auf eine leichtere Kletterei. Ich verstaue das gesamte Material und versuche weiterzusteigen.

Die ersten Züge gelingen mühelos, dann, Zentimeter für Zentimeter, sehe ich, wie sich der Platz für die Sicherungen mehr und mehr verengt.

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Der Riss wird immer schmaler, bis er nach etwa zehn Metern endet.ch bin hin- und hergerissen, aber ich muss mit dem Sicherungsklettern weitermachen, ein langsamer und mühsamer Stil, der sich von meiner eigentlichen Herangehensweise an die Vertikale stark unterscheidet. Unter bestimmten Bedingungen muss man aus der Not eine Tugend machen und sich mit Geduld und starken Nerven wappnen. Es braucht zweieinhalb Stunden und zahlreiche Versuche - geprägt von Anstrengung, Angst und akribischer, vertikaler Kleinarbeit - um einen neuen Riss zu erreichen, in dem ich zwei Friends, das heißt Klemmgeräte, platzieren kann, die es mir ermöglichen, Luft zu holen und die nächsten fünf Meter bis zu einer offensichtlichen Verschneidung freizuklettern.

Hier endet unser Tag. Wir sind erschöpft vom Klettern. Wir haben vier Stunden gebraucht, um 23 Höhenmeter zu überwinden. MDer Weg ist noch lang und wenn wir nach oben blicken,haben wir, wie jeden Abend, gemischte Gefühle. Vielleicht, so überlegen wir, sollten wir aufgeben. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, solche Überlegungen anzustellen. Wir sind erschöpft und müssen uns ausruhen, deshalb seilen wir uns zum Portaledge ab, wo uns Silvan, eingemummelt in sein Artika Jacket, mit einem dampfenden Abendessen erwartet. Bald schon genieße auch ich die wohltuende Wärme meiner Daunenjacke. Die Wärme dringt in meinen Körper ein und meine Muskeln entspannen sich langsam, während die Endorphine ihre Wirkung entfalten. Das Artika Jacket ist eine sehr bequeme und warme Daunenjacke, die deshalb Teil unserer Ausrüstung ist, weil ihr Außenmaterial sehr abriebfest und unempfindlich gegen Reibung am Fels ist - also das Gelände, mit dem wir nahezu 24 Stunden am Tag in Kontakt sind. Bevor wir uns schlafen legen, müssen wir die beiden anderen aufblasbaren Portaledges, große verstärkte Mattensysteme zum Aufhängen in der Wand, zusammenbauen. Die Nachtstunden sind im Grunde die einzige Zeit, in der wir uns erholen können. Und um sich gut auszuruhen, ist es wichtig, wenigstens so viel Platz zu haben, dass man sich hinlegen und die Muskeln entspannen kann.Beim Versuch, die Portaledges aufzublasen, bemerken wir sofort, dass sie die Luft nicht halten. Sie haben Löcher! Unsere Stimmung, die ohnehin schon auf dem Tiefpunkt ist, ist nun absolut im Keller. Stundenlang suchen wir nach einer anderen Lösung, um ein unerträgliches Biwak in unserem Gurtzeug hängend zu vermeiden, aber nichts scheint zu funktionieren. Es gibt keine Möglichkeit, die beiden Teile aufzublasen, und mit jedem Scheitern wächst unsere Frustration. Symon schreit ins Leere, um die Spannung abzubauen, und die Belgier antworten ihm von oben. Unsere Schutzengel! Sie seilen sich ab, nachdem sie die Erstbegehung einer Route abgeschlossen haben, die parallel zu unserer auf der rechten Seite der Nordwand des Siren Tower verläuft. "Sean! Nico!" Unser Freudengeschrei prallt an den Wänden ab. "Matteo! Symon! Silvan!" antworten sie. Schnell einigen wir uns darauf, dass sie uns eines ihrer Portaledges leihen. Sie haben ihren Aufstieg bereits geschafft und werden sie in den nächsten Tagen nicht mehr benötigen. Wir bauen es in wenigen Minuten auf und hören uns dabei ihre Geschichte an. Dann, als wir es uns endlich in der Horizontalen bequem gemacht haben, schauen wir ihnen zu, wie sie sich schnell weiter nach unten abseilen. Sie verschwinden in der Leere und in unsere Gesichter kehrt das Lächeln zurück.



DIE HÄRTESTEN TAGE



Der vierte Tag in der Wand. Die Umgebung ist unglaublich still und es weht kein einziger Windhauch. Das einzige Geräusch ist das Geklapper unserer Ausrüstung, die an unseren Klettergurten hängt. Es ist eiskalt und ich bin heilfroh, dass ich die K-Performance Mountaineer Pants trage. Seit ich sie vor mehr als drei Jahren zum ersten Mal getestet habe, hatte ich sie, glaube ich zumindest, auf jeder Expedition dabei. Von Patagonien bis Peru, von Grönland bis in den Himalaya. Der schwierigste Teil des Aufstiegs liegt nun vor uns und wir sind nur auf uns zwei gestellt. Silvan erholt sich zwar, ist aber immer noch nicht in der Lage, schwierige Seillängen zu bewältigen. Ich ergreife die Initiative und klettere die erste Seillänge, die zwar nicht sonderlich knifflig, aber schwierig zu sichern ist. Am Standplatz angekommen, will ich den Vorstieg wieder Symon überlassen, doch mein französischer Freund zieht es vor, mich vorsteigen zu lassen.Noch einmal geht mein Blick nach oben ins Ungewisse. Die Wand wird überhängend, die Risse sind mäßig breit, immer unterbrochen und immer weiter voneinander entfernt. Ich beginne unentschlossen und komme die ersten Meter nur mühsam voran. Dann, auf der Suche nach einem Griff, löse ich einen Stein, der Symons Bein trifft und ihn vor Schmerz aufschreien lässt. Nur ein Schlag, nichts Ernstes, aber hier steht der ganze Aufstieg auf dem Spiel. Einen Moment lang überfallen mich Zweifel, die ich aber mit einem Blick auf Symons zuversichtliches Lächeln verdrängen kann. Seine Fähigkeit, ruhig zu bleiben, beeindruckt mich. Ich verdränge sowohl meine Müdigkeit als auch die negativen Gedanken, die mich verfolgen, und versuche, mich ausschließlich auf das Klettern und den vor mir liegenden Quadratmeter Granit zu konzentrieren. Es gelingt mir, einige ausgezeichnete Sicherungen zu platzieren, aber nach einer kurzen Folge von Kletterzügen sehe ich sie schon zu weit unter mir. Ich strecke mich aus, um einen Alien, also ein weiteres Klemmgerät zur Sicherung, in einem entsprechend breiten Loch zu platzieren ... mehr aus psychologischen Gründen als alles andere. Ich weiß, dass dieses Klemmgerät einen Sturz nicht auffangen könnte, aber es dort platziert zu haben, erlaubt mir, meinen Verstand und meine Muskeln etwas zu entspannen. Ich verlagere einen Teil meines Gewichts auf die Sicherung und verbringe eine scheinbar endlose Zeit damit, die Müdigkeit aus meinen Armen zu schütteln, bevor ich wieder weiter klettere.

"Wenn das nicht hält, haben wir ein Problem", kommentiert Symon, sobald ich loslege, aber inzwischen ist es zu spät für mich, um mich davon beeinflussen zu lassen. Ich klettere einen tollen Riss hinauf, wo ich endlich eine bombensichere Sicherung setzen kann. Ich klettere voller Vertrauen weiter nach oben, ohne den geringsten Fehler zu machen. Meine Muskeln sind bis zum Äußersten angespannt, mein Geist ist auf jede Bewegung fokussiert. Eine sehr harte Seillänge. Am Ende der Seillänge anzukommen ist eine pure Erlösung. Ich bin völlig erschöpft, aber wenn ich nach oben schaue, kann ich endlich lächeln: Der Weg bis zum Gipfel ist zwar noch lang, birgt aber keine großen Hindernisse. Vom Portaledge aus hören wir Silvans Stimme. Er freut sich über unseren Erfolg, und als wir ihn wieder erreichen, empfängt er uns, als wären wir schon auf dem Gipfel. Seinem Arm geht es besser und daher will er morgen selbst auch wieder einsteigen, um das zu Ende zu bringen, was wir gemeinsam begonnen haben.



DER GIPFEL!



Der fünfte Tag in der Wand ist der bisher anstrengendste. Die vielen, harten Stunden des Kletterns am Vortag haben ihre Spuren hinterlassen, also schalte ich in den "Energiesparmodus" und folge meinen Begleitern einfach bis zum Gipfel. Wir klettern an den Fixseilen zurück, bis zu dem Punkt, den wir gestern erreicht haben, und dann greift Symon an.

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Er und Silvan wechseln sich in der Führung ab, bis sie die restlichen 300 Meter der Wand bis zum Gipfel zurückgelegt haben. Diesen erreichen wir am Nachmittag. Als wir alle oben sind, können wir endlich Blick auf den Horizont werfen. Ein unglaubliches Panorama, ein 360-Grad-Blick, der uns für alles entschädigt, was uns das Klettern in den letzten Tagen abverlangt hat. Es sind nicht die Eisberge oder die Weite des Ozeans, die uns in Erstaunen versetzen, sondern der privilegierte Blick auf das gewaltige grönländische Inlandeis, das sich, so weit das Auge reicht, über eine Vielzahl von noch unbestiegenen Gipfeln erstreckt. Ich fühle mich von einem Gefühl des inneren Friedens und der Ausgeglichenheit erfüllt, das mich auf seltsame Weise mit diesem Land in Einklang bringt. Für einen Moment findet meine rastlose und nie zufriedene Seele auf dem Gipfel eines unbekannten Berges endlich ihre Befriedigung. Einen Moment lang lebe ich im Hier und Jetzt.

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GRÖNLAND TEIL 3 - ABSTIEG, ERKUNDUNG UND RÜCKKEHR



Die Nacht, die nicht hereinbrechen will, und das endlose Panorama lassen uns die Zeit vergessen. Ich weiß nicht, wie lange wir auf dem Gipfel des Siren Tower bleiben. Wir sind völlig fasziniert und müssen uns geradezu zwingen, das Abseilen vorzubereiten, durch das wir in die karge Nordwand und zu den Portaledges zurückkehren. Als wir diese erreichen, müssen wir uns entscheiden, was wir tun sollen: absteigen und unser Erlebnis hier beenden oder weiterklettern, um alle Seillängen von den Sicherungen zu säubern. In diesem Fall gibt es nicht viel zu besprechen, die Entscheidung ist bereits gefallen. Daher legen wir uns schlafen, bereit für einen neuen Tag des Kletterns. Die Schlüsselstelle nach all den Strapazen der Erstbegehung freiklettern zu können, wäre das i-Tüpfelchen unseres großartigen Erlebnisses.

DIESES MAL IST ES ANDERS



Wenn die Griffe durch die zuvor benutzte Chalk, also Kletterkreide, bereits markiert und erkennbar sind, die Friends schon positioniert sind und kein zusätzliches Gewicht am Klettergurt baumelt, ist das Klettern völlig anders. Es ist aufregend! Viel weniger anstrengend als ich es in Erinnerung hatte. Wie immer sind die Erstbegehung und die Wiederholung einer Route, auch wenn es nur eine einzige Seillänge ist, wie zwei völlig verschiedene Welten. Zwei grundlegend verschiedene Erfahrungen. Schwer zu fassende Finger Jams, d.h. fingerbreite Griffe, totale Ausgesetztheit. Es kommt mir fast so vor, als wäre ich am El Capitan in Yosemite.Der Fels ist unglaublich.Der erste Versuch scheitert, aber beim zweiten scheint alles ganz selbstverständlich. Ein Zug folgt auf den anderen, ich klettere mit einer unerwarteten Leichtigkeit und in kurzer Zeit bin ich am Ende angelangt. Was für eine unglaubliche Seillänge!

Nun bleibt nur noch eine Seillänge übrig. Silvan und Symon nehmen sie in Angriff. Anstatt die mit Sicherungen versehenen Schwierigkeiten direkt in Angriff zu nehmen, finden sie einen Weg, diese mit Hilfe einer Querung nach rechts auf der Felswand zu umgehen. Sie klettern an Millimeter kleinen Griffen und vollführen waghalsige Bewegungen.Anschließend sind wir endgültig am Ziel und können uns über eine lange Abseilsequenz bis zum Fuß der Wand abseilen.

IM HERZEN DES GLETSCHERS



Nach einer so intensiven Erfahrung wäre es nur allzu verständlich, wenn wir schnellstmöglich wieder zu unseren Familien zurückkehren würden. Doch wir sind noch nicht zufrieden und beschließen daher, die Kajaks erneut zu beladen und einen nahe gelegenen Fjord zu erkunden. Nach den vielen Tagen in der Vertikalen ist es sehr angenehm, wieder mit den Kajaks unterwegs zu sein.

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Ein Kajak ist in der Tat ein unglaubliches Transportmittel! Mit ihm kann man selbst die entlegensten Gegenden der Erde erreichen und erkunden, was mit einem Segelboot nicht möglich ist. Wir paddeln also in den Fjord hinein und folgen ihm bis zu seinem äußersten Ende. Wir landen am tiefsten Punkt des Fjords und stellen fest, dass wir uns laut unserer Landkarten im Herzen eines großen Gletschers befinden sollten. Der Fjord hätte fünf Kilometer früher enden müssen. Wir können es kaum glauben, was wir hier sehen, und sind noch erstaunter, als wir das Datum auf der Landkarte überprüfen: Sie wurde vor nur 20 Jahren erstellt! An der Stelle, wo eigentlich ein großer Gletscher sein sollte, gibt es heute nichts als das Meer und eine Felswand über unseren Köpfen. Sie ist nicht sehr spektakulär, aber wir beschließen trotzdem, sie zu besteigen, indem wir einer der vielen perfekten Risslinien folgen, die der Fels uns bietet. Eine völlig andere Erfahrung als bei der Erstbegehung der Route am Siren Tower. Hier liegt der Schwierigkeitsgrad der Kletterei weit unter unserem technischen Limit. Wir können uns absichern, wo wir wollen, und werden den ganzen Tag von der Sonne verwöhnt, was uns ein schönes Erlebnis in einer spektakulären Umgebung beschert. Angesichts der Bedingungen klettern wir leicht und schnell. Wir haben ein paar Energieriegel, je einen Liter Wasser und alle ein K-Performance Hybrid Jacket für den Fall eines plötzlichen Wetterumschwungs bei uns. Diese Jacke wiegt nur 280 Gramm und ist das perfekte Kleidungsstück im Gebirge, wenn die Sonne verschwindet und der Wind aufkommt.

Das Klettern in dieser Wand fühlt sich fast wie Fliegen an. Eine Reihe von perfekten Linien, die nach unserem Abenteuer am Siren Tower relativ einfach zu bewältigen sind. Diese Route ist ein reines Vergnügen; wir spüren die pure Freude am Klettern, an der schnellen vertikalen Bewegung, entlang der Griffe und Trittstellen, die der Fels bietet. Ein letzter Moment des Vergnügens, bevor wir in Richtung Tasiilaq paddeln.



Kaum haben wir den Fjord verlassen, geraten wir auch schon in Schwierigkeiten. Die See ist rau und die Wellen sind entlang des Küstenabschnitts, den wir befahren müssen, sehr heftig. Wir haben weniger Gewicht an Bord und sind somit beweglicher, aber wir sind auch müde, und unter diesen Bedingungen ist es nicht gerade einfach, den Kurs zu halten. Am Ende eines jeden Tages, wenn wir an Land gehen, überkommt uns die Müdigkeit, und allein der Gedanke daran, das Zelt aufzuschlagen und das Abendessen zuzubereiten, macht uns noch mehr zu schaffen. Und als ob das noch nicht genug wäre, kommt in den letzten Tagen auch noch der Nebel hinzu, der alles deutlich erschwert. Wir sind oft gezwungen Pausen einzulegen, um uns zu erholen, aber auch, um die Route zu kontrollieren und uns zu vergewissern, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. Die Luft ist so feucht und klamm, dass man sie fast mit dem Messer schneiden könnte. Deshalb tragen wir das Sas Plat Jacket, das dank seiner synthetischen Isolation auch unter diesen extrem feuchten Bedingungen warm bleibt. Die Wahl der richtigen Ausrüstung ist bei solchen Expeditionen absolut entscheidend. Mit einer falsch gewählten Daunenjacke wären wir nass und ausgekühlt und hätten den letzten Abschnitt unseres bisher so fantastischen Erlebnisses gefährdet. Daran denken wir oft, während wir die letzten Kilometer zügig zurücklegen. Die Strömung beruhigt sich, als wir in Sichtweite des Hafens von Tasiilaq kommen. Die Annehmlichkeiten der Zivilisation warten auf uns, auch wenn es schwer fällt, sich wieder an sie zu gewöhnen. Eine Entfernung von 170 Kilometer reichten aus, um uns in eine andere Welt zu bringen, an einen Ort, an dem die Natur gewinnt - 170 Kilometer bis zu einer unverfälschten Expedition, die uns ein perfektes Abenteuer bescherte.Eine einzigartige Reise auf meinem ganz persönlichen Lebensweg.



EXPERIENCE BY

MATTEO DELLA BORDELLA


 
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